Wie eine Autobiografie mich erreichte
Neulich hatte ich eine Mail in meinem Zeit-für-Rosen-Postfach, die in den ersten Zeilen große Begeisterung für meinen Blog zum Ausdruck brachte. Ich freute mich natürlich über so viel positives Feedback. Dieser Freude folgte Verwunderung, und auch ein wenig Verwirrung. Denn erstens schrieb mich hier eine Autorin an, die mir ihr neues Buch vorstellen wollte. Was zugegebenermaßen nicht so oft vorkommt. Außerdem ließ mich der Gedanke nicht los, dass diese Frau, das sah ich an dem beigefügten Foto, mir irgendwie sehr bekannt vorkam.
Der Titel des Buches Du weißt ja gar nicht, wie gut du es hast formte in meinem Kopf erst einmal Fragezeichen, machte mich aber neugierig. Der Untertitel war es – er erreichte mich sofort: „Von einer, die ausbrach, das Leben zu lieben“. Ist das nicht sogar das Motto vieler Ü50er? Ein Ausbrechen aus alten Strukturen. Ein Aufbrechen zu neuen Ufern. Verbunden mit viel Mut zum Loslassen, zum Ausprobieren, zum Aufstoßen von neuen Türen. Ganz mein Thema. Und als ich dann noch sah, dass es sich hier um eine Autobiografie handelt, musste ich sofort mit dem Lesen beginnen. Autobiografisches Schreiben ist ja auch eine Passion, die ich gerne in meiner offenen Schreibgruppe im Nachbarort Merten teile.
Maria Bachmanns sehr persönliches Zeugnis
Der Klappentext verriet es dann: Die Autorin ist auch Schauspielerin, bekannt aus vielen Kino-und TV-Produktionen. Die Rede ist von Maria Bachmann, geboren im Jahr 1964. Aha! Maria legt in ihrem Buch ein sehr offenes, anrührendes und nachdenklich stimmendes Zeugnis ab von ihrer Kindheit, eingeklemmt in starren Strukturen. Sie schreibt über ihren anfangs vergeblichen Versuch, sich emotional von ihrem Elternhaus zu lösen. Und von ihrer Befreiung, die gar nicht so lange zurückliegt. Da geht es um sehr Persönliches, aber auch um Zeitgeschichtliches, das eine ganze Generation beschäftigte. Und damit meine ich nicht nur die Musik der 70er und 80er, die in ihrem Buch eine besondere Rolle spielt (z.B. ihre Begegnung mit dem Musik-Moderator Thomas Gottschalk in den späten Siebzigern oder die Beziehung zu Udo Lindenberg, die sie inspirierte). Es geht auch um das gesellschaftliche Thema „Kriegsenkel“.
Ich habe mich mit diesem Thema etwas näher beschäftigt. „Kriegsenkel“ ist ein Begriff, der sich in der Psychologie vor etwa zehn Jahren formte. Damals beschäftigten sich Therapeuten und Wissenschaftler mit den psychologischen Folgen des Zweiten Weltkriegs. Viele Gespräche mit Betroffenen machten klar, dass die Belastungen durch Gewalt und Verlust nicht nur jene betrafen, die den Krieg als Erwachsene erlebten. Vielmehr wurde deutlich, dass die Schrecken des Krieges in vielen Familien noch bis in die zweite und dritte Generation hineinwirken. Kriegsenkel tragen dabei die Last der Kriegskinder weiter, die über ihre schrecklichen Kindeserfahrungen im Zweiten Weltkrieg nie richtig gesprochen, sie nie aufgearbeitet haben. Nicht zuletzt, weil sie damit allein gelassen wurden und gelernt hatten, damit auch allein fertig zu werden.
Auf der Bremse stehen
Laut Psychotherapeuten haben Kriegsenkel ein gesteigertes Bedürfnis nach Behandlung und Aufarbeitung. Nicht nur, weil sie sich mit ihrer Familiengeschichte auseinandersetzen wollen. Vielmehr kämpfen sie, so die Experten, vermehrt mit emotionaler Blockierung und einer diffusen Identität. „Sie stehen privat und beruflich oft auf der Bremse“, so bringt es Sabine Bode in ihrem Buch „Kriegsenkel“ zum Ausdruck. Ursache dafür ist unter anderem das Schweigen ihrer Eltern, der Kriegskinder, über eigene unheilvolle Erlebnisse. Deren Versuch, durch bestimmte Leitsätze und Verhaltensweisen ihrem Leben und dem Leben ihrer Kinder eine Richtung zu geben, erweist sich oft als belastendes Erbe für die Nachkommen. Starre Verhaltensmuster spielen hier eine Rolle, oft auch religiös hergeleitete Glaubenssätze. Vor allem die Erwartung, dass ihre Kinder mit ihren Ängsten und Nöten allein klarkommen müssen, so wie sie selbst. Das kann bis zum „auf den Kopf gestellten Fürsorge-Prinzip“ reichen. Kriegsenkel spürten von klein auf die Bedürftigkeit der Eltern und schaffen es daher oft auch im Erwachsenenalter nicht, ihren eigenen Weg zu gehen.
All das kommt in der autobiografischen Erzählung von Maria Bachmann zum Ausdruck. Ungeschönt und mutig, wie ich finde. Dieses Buch ist nicht nur lesenswert, sondern bietet auch jede Menge Gesprächsstoff unter Freunden: War es wirklich so? Bin ich auch so aufgewachsen? Ist mein Lebensweg tatsächlich durch die deutsche Kriegsvergangenheit geprägt? Schaut doch mal genauer hin! Ich jedenfalls bin sehr dankbar für diese gedankliche Anregung. Außerdem freue ich mich, dass Maria Bachmann sich noch für ein kleines, auch sehr persönliches Interview zur Verfügung gestellt hat. Das könnt ihr im nächsten Blogpost lesen.
Ach ja: Was hat das mit meinem Blogtitel Dann klappt’s auch zu tun? Na ja, schlussendlich bin ich dahintergekommen, woher mir Maria Bachmann bekannt vorkam: Erinnert ihr euch noch an die Fernsehwerbung für eine bekannte Geschirrspülmittel-Marke, die mit dem Satz endete „Dann klappt’s auch mit dem Nachbarn“? Dann „kennt“ ihr auch Maria Bachmann. 😉