Mit VR-Brillen können Museumsbesucher in andere Welten eintauchen
Entdeckungen

Museum 2.0: Kunst und Mixed Reality

Die Digitalisierung hat Einzug gehalten in die Tempel der Kunst. Immer häufiger schon gibt es museale Projekte, die das Tragen einer Virtual-Reality-Brille oder die sonst im Museum eher verbotene Nutzung von Smartphones für den Kunstgenuss voraussetzen. Eine Tagung im Max-Ernst-Museum Brühl des LVR beschäftigte sich  mit den Potentialen von Virtual oder Augmented Reality für Besucher und Museen. Ich war dabei und habe gestaunt.

Wann wart ihr denn das letzte Mal im Museum? Was habt ihr euch da angesehen und vor allem wie? Könntet ihr euch vorstellen, mit VR-Brillen durch Räume zu laufen um Kunst zu erleben? Oder euch Kunstwerke mit Hilfe eures Smartphones näher zu erschließen? Genau um diese sich schnell entwickelnden Technologien ging es bei der  Konferenz in Brühl, bei der sich Experten aus der Wissenschaft, der Game-Technik und der Kunstwelt zwei Tage lang austauschten.

Escher 2.0 – Art meets Virtual Reality

Als ich über Facebook von dem Kongress erfuhr, habe ich spontan teilgenommen und kam aus dem Staunen kaum heraus: Staunen über die existierenden technischen Möglichkeiten und vor allem über die vielfältigen laufenden und bereits umgesetzten Projekte. In Brühl zum Beispiel gab es bereits 2016 die Ausstellung „Escher 2.0“ mit virtuellen Installationen, entwickelt von Studenten der TH Köln. Damals ging es darum, die Raumillusionen des Künstlers und Graphikers M.C. Escher mit Virtual-Reality-Brillen begehbar zu machen. So konnte man versuchen, mit einer solchen „360-Grad-Brille“ auf der Nase die berühmten, perspektivisch verdrehten Treppen des niederländischen Künstlers zu erklimmen.

Augmented Reality wie im Film

Neben diesen virtuellen Welten, in die man per Brille komplett eintauchen kann, spielte bei der Konferenz die Technik der „Augmented Reality“, der erweiterten Realität, eine große Rolle. Bei dieser auch „Mixed Reality“ genannten Technik geht es um eine computergestützte Erweiterung der eigenen Wahrnehmung, zum Beispiel in Form von Hologrammen. Das kennen wir aus Science-Fiction-Filmen wie Star Wars:  Virtuelle Objekte werden eingeblendet um zusätzliche Informationen zu liefern. Per Smartphone oder Tablet in Kombination mit der speziellen App wird so zum Beispiel Dreidimensionalität erlebbar oder lassen sich Zusatzinformationen abrufen.

Mirós Welt der Monster

Doch wie ist das in der Museumswelt einsetzbar? Zum Beispiel lassen sich Ausstellungskataloge mit Hilfe dieser Technik „lebendiger“ gestalten: Hält man in diesem Fall sein Smartphone über derartig vorbereitete Fotografien von Skulpturen, dann entsteht darüber ein dreidimensionales Hologramm, das ein Betrachten des Kunstwerks von allen Seiten ermöglicht. Eine andere Möglichkeit ist der Einsatz zu pädagogischen Zwecken: Im Max-Ernst-Museum wird diese Technik in der aktuellen Ausstellung „Miró 2.0 – Welt der Monster“ eingesetzt, um den Besuchern interaktive Zusatzinformationen anzubieten. Dazu stattet man sich vor dem Besuch der Ausstellung, am WLAN-Point im Erdgeschoss, mit der nötigen App aus und sucht gewisse Hinweise, die an den Museumswänden angebracht sind. Hat man ein Zeichen gefunden, erhält man auf dem Smartphone Informationen darüber, was es mit den Skulpturen des spanischen Künstlers zu tun hat. Nach dem Einsammeln aller gefundenen Symbole entsteht im Smartphone ein neues kleines „Monster“, das sich farblich unterlegen und abspeichern lässt. Das sieht dann so aus:

Mit Technik Gemälde zum Leben erwecken

Außerdem vorstell- und bereits durchführbar sind computergestützte Kurzfilme, die sich über ein Kunstwerk legen und zum Beispiel aus einem statischen Gemälde eine bewegte Geschichte machen: Stellt euch vor, die Mona Lisa bewegt – durch euer Smartphone gesehen – ihren Kopf und zwinkert euch zu. Oder fotografierte Menschen setzen sich plötzlich in Bewegung und begrüßen sich. Alles natürlich nur möglich, wenn man das Tablet oder Handy vor das Kunstwerk hält. Berichtet wurde auf der Tagung auch von Klanginstallationen mit Sand, welche die Besucher interaktiv zu kleinen Musikkompositionen befähigten. Oder von Videoinstallationen, die auf die Gestik der Besucher reagierten. Interessant auch die Vorstellung, in Danzig an einem Citywalk teilzunehmen und dabei die Stadt durch die Augen von Günther Grass zu sehen.

Das bringt mich zum Vortrag von Frau Tillmanns von der TH Köln, den ich besonders spannend fand. Sie erzählte von einem pädagogischen Projekt, das Schülern die Römerzeit in Köln näher bringen soll, und zwar mit Hilfe einer Augmented-Reality-gestützten Zeitreise.  Dafür wird eine Gruppe von Kindern mit Smartphones ausgerüstet und mit einer historischen Mission durch die Straßen Kölns geschickt. An speziellen Punkten können sie Hologramme aufrufen (Umrisse von früheren Gebäuden, Gesichter von Charakteren, die von ihrer Lebenssituation erzählen), die sie in die Geschichte Kölns eintauchen lassen und die ihnen Anhaltspunkte dafür geben, wie sich das Leben in der römischen Vergangenheit abspielte. Das Ziel dabei ist, die Mission gemeinsam zu erfüllen, gefragt ist also Diskussion und Interaktion.

Kunst auf Augenhöhe

So weit die technischen Möglichkeiten. Doch was bringt den Besuchern diese moderne Technologie? Und welches Interesse verfolgen Museen beim Einsatz von Virtual und Augmented Reality? Professor Christian Geiger von der Hochschule Düsseldorf, Fachbereich Medien, brachte folgende Potenziale für den Einsatz von „Mixed Reality“ in der Kunst auf den Punkt:

  • Sie bietet eine neue Möglichkeit sich Kunstwerken anzunähern, sie zu erfahren.
  • Sie erweitert Kunst, z. B. indem sie Bilder zum Leben erweckt.
  • Sie bietet Künstlern neue Formen, sich auszudrücken. Sie ist moderne Kunst.
  • Sie ermöglicht den Besuchern mitzumachen, selbst Kunst zu kreieren.

Kunst auf Augenhöhe sozusagen, weg vom Elfenbeinturm und von der zunehmenden Individualisierung, hin zur interaktiven Community. Ist das nicht der Trend der Zeit? Oder ist es nur ein frommer Wunsch? Stört diese Technik nicht eher den klassischen Kunstgenuss im Museum, das Innehalten vor den Werken, das Wirkenlassen? Sollten die computergestützten Technologien vielleicht besser nur vor den Toren der Museen zum Einsatz kommen? Um Besucher anzulocken oder das Museum zu Besuchern zu bringen, die nicht am Kunstgenuss teilnehmen können?

Diese Fragen haben die Tagungsteilnehmer sehr beschäftigt und gehen auch mir immer noch im Kopf herum. Was denkt ihr darüber? Habt ihr schon Erfahrungen gemacht, könnt Empfehlungen abgeben oder möchtet ihr Bedenken äußern? Immer her damit!

Und falls ihr jetzt neugierig geworden seid und mehr wissen wollt, hier noch ein paar interessante Links:

https://www.radiancevr.co

http://innovationshub.de

www.artigo.org

www.maxernstmuseum.lvr.de

https://artivive.com

http://smartsculpture.eu/

4 Gedanken zu „Museum 2.0: Kunst und Mixed Reality“

  1. Diese Entwicklung ist äußerst interessant und wird in Museen viel zu wenig einegsetzt. Weil das alles natürlich nicht ganz billig ist. Aber das „in einen Kotext“ setzen könnte vielen Besuchern eine ganz neue Welt der Kunst eröffnen Geschichten zu Kunstwerken oder zeigen, wo und wie sie entstanden sind. Augmented und Virtual Reality könnten ganz neue (junge) Zielgruppen ansprechen.

    1. Ja, mir gefällt das informative Potenzial auch besser als das reine Entertainment, d.h. dass alte Gemälde computergestützt in Bewegung geraten, hat für mich erst einmal keinen großen Mehrwert.

      1. 2016 bei der Escher Ausstellung in Brühl habe ich die Leute beobachtet, die mit der Brille versuchten die Treppenhäuser von Escher zu erfahren. Ich glaube für diese Leute hatte das bewegte Gemälde schon einen großen Mehrwert :). Immerhin waren die Brillen so begehrt, dass ich darauf verzichtet habe um nicht meinen Museumsbesuch mit Warten zu verbringen.

      2. Das kann ich mir bei den faszinierenden Escher-Welten sehr gut vorstellen! Und wenn so ein Erlebnis in einem speziell dafür ausgerichteten Raum stattfindet, stört es die anderen Museumsbesucher auch nicht.

Ich freue mich über deinen Kommentar!

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