Es hat geklappt: Der „Experimental Urban Dance Ü50 Workshop“, von langer Hand geplant und über Facebook angekündigt (ihr habt es vielleicht gesehen?), hat letzte Woche stattgefunden. Experimentell war dabei nicht nur das Tanzen, sondern auch die Organisation dieses Events, von der ersten Idee bis hin zur Realisierung.
Einige Monate ist es her, dass ich die Tänzerin und Choreographin Hülya Arslan kennen lernte. Damals erlebte ich, wie sie Jugendliche zum Ausdruckstanz motivieren kann, und war von ihrer charismatischen und professionellen Art begeistert. Spontan hatte ich die Idee, sie für einen Ü50-Tanz-Workshop zu engagieren und sprach sie an. „Gar kein Problem!“, war ihre Antwort, „Einen solchen Workshop habe ich bereits in Hamburg angeboten. Er kam bei den Frauen, viele über 60, sehr gut an.“
Experimental Urban Dance
So entwickelte sich die Idee, einen Workshop für tanzbegeisterte Best-Ager-Frauen in Köln anzubieten, und zwar zu dem Thema „Experimental Urban Dance“. Übers soziale Netzwerken – online und offline – fand sich nach einigen Wochen ein Dutzend interessierte Frauen zusammen. Alle waren sehr neugierig darauf, andere und vielleicht ungewohnte Dance Moves auszuprobieren. Und darüber hinaus Gleichgesinnte zu treffen und näher kennen zu lernen.
Neugierde, Offenheit und der gemeinsame Spaß standen dann auch im Vordergrund des dreistündigen Events. Gut gelaunte Fahrgemeinschaften trafen im Kölner Westen zusammen, entdeckten in einem Hinterhof das Kulturzentrum VIBA und begrüßten sich im wunderschönen Spiegelsaal. Dann hieß es „Turnschuhe ausziehen“ und sich der Musik hingeben. Schon beim Aufwärmen. Ich kann mich nicht erinnern, jemals ein solch sinnliches „Aufwärmtraining“ mitgemacht zu haben: Zu langsamer Chill-out-Musik erwärmten wir alle Muskeln durch fließende, fast tänzerische Bewegungen. So wurde das Gefühl für den eigenen Körper und seine Bewegungen zur Musik ganz sachte zum Leben erweckt.
Bruch mit gesellschaftlichen Konventionen
Eine wichtige Voraussetzung für das, was dann kam: Hülya erzählte uns etwas zu ihrem eigenen Tanzstil, den sie im Laufe der Jahre für sich entwickelte. Er basiert auf der Idee der Hip-Hop-Kultur, die sich in den 1970ern in den afroamerikanischen Ghettos in New York bildete. Eine Musik- und Tanzszene, die sich auf der Straße abspielt und das Brechen mit gesellschaftlichen Konventionen zum Ausdruck bringt. Es ging also in diesem Workshop darum, weit ab von vorgegebenen Tanzschritten dem eigenen Bewegungsdrang nachzuspüren. Also: Kopf abschalten und die Musik in den Körper fließen lassen. Alle Bewegungen sind erlaubt, egal wie sie aussehen. Während die ursprünglichen Anhänger der Hip-Hop-Szene ihre Gefühle von Wut und Unterdrückung in Tanz umsetzten und dabei einen ganz eigenen Stil kreierten, ging es für uns an diesem Samstag darum, unsere eigenen, privaten Tanz-Bewegungen jenseits von Tanzschul-Vorgaben zu finden. Und dabei Blockaden zu überwinden.
Leichter gesagt, als umgesetzt. Schließlich sind wir es gewohnt, Vorgaben zu erfüllen und uns an Regeln zu halten, die uns oft sehr einengen und begrenzen. „Das ist in Deutschland ganz extrem so“, kommentierte Hülya, die viel in der Welt herumkommt, und ermunterte uns immer wieder mit den Worten „Ja genau so! Fühlt euch ganz frei und nehmt euch Raum!“ Falls euch jetzt Bilder von Trance-Tänzern aus der Flower-Power-Zeit in den Kopf kommen: Ja, so ähnlich müssen wir ausgesehen haben. Aber nach anfänglicher Irritation hat jede von uns ihren Einstieg in diese neue Welt des Ausdruckstanzes ausprobiert. Leicht gehemmt oder mit viel Begeisterung, aber auf jeden Fall mit sehr viel Spaß und erfrischendem Gelächter!
Hip-Hop, Popping und Humor
Natürlich gab es einige angeleitete Übungen, an denen wir uns quasi „festhalten“ konnten. Außerdem haben wir auch ein paar typische Bewegungen des Hip-Hop ausprobiert. Die lustigsten entstammen dem sogenannten „Popping“, bei dem man einzelne Muskeln isoliert „aufpoppen“ lässt. Ich glaube, am meisten beansprucht wurden dabei unsere Lachmuskeln.
Für mich ist das Experiment gelungen, das vor allem aus der Frage bestand: Finde ich tanzbegeisterte Menschen in meiner Nähe, die mutig und offen für Neues sind? Ja, ich habe sie – auch dank Facebook – gefunden und freue mich auf weitere gemeinsame Events und Verabredungen zum Tanzen! Und da Hülya auch viele orientalische Elemente in ihren Tanzstil einwebt (schaut euch mal ihr beeindruckendes Video an), werden wir ja vielleicht beim nächsten Mal unsere Hüften kreisen lassen. Wer weiß…
(Warum) Ist das ein Projekt nur für Frauen? Männer würden hier (manchmal) richtig mutig und offen für Neues sein dürfen/müssen.
Ansonsten: schöner Blog mit interessanten Themen und Sichtweisen. Manchmal wäre etwas mehr Differenzierung schön. Z.B. sind nicht bei jedem die Kinder mit 50 schon erwachsen und die Frage nach Neuanfängen und neuem Lebenssinn stellt sich zumindest privat nicht.
Lieber Christoph,das Tanzprojekt habe ich über Facebook generiert. Damals hat sich kein einziger Mann gemeldet. Generell bin ich dafür offen. Hast du denn Spaß am Tanzen oder vielleicht schon mal einen offenen Workshop organisiert? Gerne können wir uns dazu austauschen.
Zu meinen Themen: Natürlich schreibe ich nur über meine eigene Sicht der Dinge und freue mich immer, wenn ich damit Diskussionen anstoße. Ich möchte gar nicht neutral alle Lebensformen berücksichtigen, dann wäre mein Blog nicht so, wie er sein soll: authentisch und subjektiv. Bloggen und redaktionelles Schreiben auf Basis einer Recherche ist für mich ein großer Unterschied. Vielen Dank für deinen Kommentar! Er hat mich auf die Idee gebracht, vielleicht mal über das Bloggen zu schreiben.😉