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Miteinander

Ü50 und die kristalline Intelligenz

Da hat er sich eingeschlichen — der Begriff, von dem ich zuerst gar keinen Begriff hatte. Glasklar kam er daher, positiv anmutend, einem Schatz ähnelnd. Wenn man das Adjektiv „kristallin“ in Verbindung mit „Intelligenz“ liest, möchte man doch mehr darüber wissen. Bei mir war es erst nur ein Aufhorchen, dann pure Neugierde: Was genau hat kristalline Intelligenz denn mit dem Altern zu tun? Ihr wusstet es schon? Ich kannte den Fachbegriff noch nicht und habe daher ein wenig recherchiert.

In der Ü50-Welt ist allzu oft vom Altwerden, von beginnendem Verfall, von abnehmenden Fähigkeiten die Rede. Alles, was zunimmt, sei nur negativ, so lautet das Bedauern: Gewicht, körperliche Wehwehchen und Falten. Und die Aussichten in näherer und weiterer Zukunft seien frustrierend. Weit gefehlt! Denn was uns auf unserem Weg durch die Welt des Älterwerdens auch stets begleitet, ist unsere kristalline Intelligenz! Und zwar in zunehmendem, sehr positiven Maße!

Mit dem Alter wächst das Wissen

Kristalline Intelligenz bedeutet: Probleme zu sehen, zu deuten und Lösungsansätze vor dem Hintergrund von angeeignetem Wissen entwickeln zu können. Mit weiterentwickelter kristalliner Intelligenz haben wir auch eher vor Augen, welches Verhalten sich vermutlich als wenig Erfolg versprechend entpuppen wird — und liegen damit sehr oft richtig. Warum? Weil wir uns neben unserem Wissen auch auf unsere Erfahrungen und unsere Intuition stützen können. Auf die leidlichen wie auf die glücklichen Erfahrungen. Die kristalline Intelligenz eines Menschen nimmt im Laufe eines Lebens automatisch zu. Denn wir machen jeden Tag neue Erfahrungen und sammeln viele wertvolle Informationen. Unser Wissen wächst und mit jedem gelösten Konflikt bilden wir unsere sozialen Kompetenzen weiter aus. Damit haben wir den nachfolgenden Generationen einiges voraus.

Jüngere Menschen hingegen profitieren von der Hoch-Zeit der fluiden Intelligenz. Das ist die genetisch bedingte Intelligenzform, die mit 25 Jahren ihren Höhepunkt erreicht und dann langsam abnimmt. Welche Fähigkeiten damit einhergehen? Ihr ahnt es bestimmt schon: Eine schnelle Auffassungsgabe, ein gutes Gedächtnis und die Fähigkeit, sich in fremden Situationen schnell zurechtzufinden. Diese fluide Intelligenz nimmt im Laufe des Lebens stetig ab, wird aber durch die zunehmende kristalline Intelligenz „ausgeglichen“. Nimmt man beide Intelligenzformen zusammen, erleben wir um die 40 unseren Intelligenz-Höhepunkt, so die Altersforscher. Wahr ist aber auch, dass die kristalline Intelligenz bis Mitte 60 immer weiter zunimmt und auch danach noch bis ins hohe Alter trainiert werden kann.

Ein Schatz – für alle, die ihn nutzen

Training? Wie soll das aussehen? Der Schlüssel liegt in zwei Eigenschaften, die wir uns bewahren sollten: Neugierde und Offenheit. Beide sind Voraussetzungen dafür, sich weiterhin Allgemeinwissen anzueignen und soziale Kompetenzen zu verfeinern. Das stärkt nicht nur die Synapsen im Gehirn, sondern auch unsere emotionale Intelligenz, die einen Teil der kristallinen Intelligenz ausmacht. Also: Probiert doch mal ein neues Hobby, interessiert euch für das Leben und den Beruf anderer Menschen, für neue Technologien, für politische Diskussionen, für ökonomische Zusammenhänge oder soziale Bewegungen. So pflegt und kultiviert ihr euren einzigartigen Schatz, eure kristalline Intelligenz — die man im Übrigen auch Altersweisheit nennen könnte.

Und wenn sich dann all diese schönen Ü50-Kristalle, von Wissen und Erfahrung angereichert, mit der fluiden Intelligenz der Jungen zusammentun, im Privatleben und im Job, dann schaffen wir den wahren „Ausgleich“ – generationenübergreifend, vielleicht sogar gewinnbringend, aber auf jeden Fall bereichernd. Ein Beispiel dafür, wie so etwas aussehen kann, liefert übrigens WDR 5 mit der Reihe: Utopia – Ideen für ein besseres Zusammenleben. In der aktuellen, zweiten Staffel suchen die Moderatorin Christine Westermann (70) und der Poetry Slammer Jean-Philippe Kindler (22) zusammen nach Ideen für eine bessere Welt. Hört doch mal rein in den Podcast! (Danke, Carmen, für den Tipp 😉)

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