Ausmisten und Loslassen
Inspiration

Weg damit! Vom Ausmisten und Loslassen

Eigentlich wollten wir nur die Dorfgemeinschaft unterstützen in ihrem Vorhaben, den ersten Garagenflohmarkt in der Umgebung zu organisieren. Wir dachten: „Irgendetwas zum Verkaufen wird sich auf dem Dachboden trotz mehrerer Umzüge schon finden“ und meldeten uns als Teilnehmer an. Wir freuten uns einfach auf einen gemütlichen Trödel-Nachmittag zusammen mit unseren Nachbarn. Die Suche nach Verkaufsartikeln im eigenen Haushalt wurde dabei immer wieder verschoben.

Dann, ein paar Tage vorher, musste es sein. Ein Nachschauen im hinteren Bereich des Speichers brachte das Ergebnis, dass dort seit mehreren Jahren drei Kartons standen, die seit dem letzten Umzug dort vergessen worden waren. „Das ist ja einfach“, dachte ich, „was wir seit Jahren nicht gebraucht haben, das brauchen wir auch jetzt nicht“ und machte mich daran, die Kartons ungesehen nach unten zu schaffen. Aber sie waren doch zu unhandlich und zu schwer. Also öffnete ich sie.

Und dann begann es: Erinnerungen kamen hoch, Lächeln und Erstaunen darüber, was wir alles aufgehoben hatten, wechselten sich ab. Es handelte sich in erster Linie um Dinge unserer Kinder, die vor fast zehn Jahren eingepackt worden waren. Vergangene Situationen waren auf einmal wieder präsent, gekettet an alte Gegenstände, Spielzeug, Schulsachen, Fotos. Ich nahm vieles noch einmal in die Hand und überlegte, was damit zu tun sei. Schließlich fragte ich die Besitzer, unsere Kinder, per Whats-app-Foto. Und erhielt die überraschend klare Antwort: „Weg damit!“

Platz für Neues

Das kam so klar und war so erfrischend einfach! Und es brachte mich in Schwung. Jetzt weitete ich meinen Blick und unterzog alle Bücher auf dem Dachboden, die nach der letzten Umgestaltungsaktion ihren Weg nicht wieder in den Wohnraum gefunden hatten, einem kritischen Blick: Kann alles weg! Wer benötigt in einer digitalen Welt noch alte Nachschlagewerke? Und Romane lese ich sowieso nicht ein zweites Mal, dafür ist meine Neugier auf Neues viel zu groß.

Das war es, das trieb mich plötzlich an: Platz schaffen. Für mehr Freiraum oder für Neues. Die ganze Aktion erhielt jetzt eine Eigendynamik. Als ich den Speicher komplett inspiziert hatte, kamen noch ein paar Kommoden und Schränke an die Reihe.  Manches behielt seinen Platz, aber einiges musste ihn räumen, freimachen, verlassen. Und ich musste loslassen, was mir – einmal in den „Flow“ geraten – immer leichter fiel. Sicher hat mir dabei die Vorstellung geholfen, dass die Dinge ja durch den Flohmarkt vielleicht wieder zu neuem Gebrauch finden oder einfach jemandem eine Freude machen werden.

Schließlich kam es so, wie nach allen anderen Trödelmärkten in ferner Vergangenheit: Einige der angebotenen Dinge fanden neue Besitzer, die erfreut unseren Hof verließen. Aber der Großteil der aussortierten und angebotenen Dinge blieb liegen, hatte für Fremde keinen Wert. Dennoch: Die Entscheidung, die ich getroffen hatte, blieb bestehen: Weg damit! Spielsachen wurden verschenkt, Bücher einem wohltätigen Zweck zugeführt und der übrige Hausrat einfach als Sperr- und Elektromüll entsorgt. Als ich den letzten Karton in den Container unseres städtischen Betriebshofs warf, traf ich dabei eine Frau, die mit aufgekrempelten Ärmeln das gleiche tat, mich kurz ansah und aus tiefster Seele seufzte: „Das tut so gut!“

Ja, ich fühle mich „aufgeräumt“ und verstehe jetzt, warum dieses Wort auch die Bedeutung von „heiter“ und „froh gestimmt“ hat. Ich sollte das öfter tun, ausmisten. Es hat etwas damit zu tun, Entscheidungen zu treffen, Prioritäten zu setzen und Veränderung zu gestalten. Aber es hat auch etwas damit zu tun, die Dinge, die einem wirklich wichtig sind, anzusehen und das wertzuschätzen, was man bisher geschaffen und geschafft hat.

Wertschätzen oder loslassen

Darüber hinaus kann eine Entrümpelungsaktion übrigens auch noch zu ganz anderen Gedankenexperimenten führen. Lässt man sich auf das Spiel „wertschätzen oder loslassen“ ein, entwickeln sich von selbst Fragen wie: Was braucht man wirklich zum Leben und was ist total überflüssig? Abgesehen von den Dingen, mit denen ich mich umgebe: welche Tätigkeiten nehmen eigentlich viel zu viel Raum in Anspruch und welche kommen zu kurz? Vielleicht gibt es auch Menschen, denen ich mehr Zeit widmen möchte und andere, die ich loslassen muss. Aber das ist ein anderes Thema…

Ich werde jedenfalls die vor uns liegende, dunklere Jahreszeit dazu nutzen, hier und dort noch einmal eine kleine Aufräumaktion zu starten. Eine unsortierte Schublade findet sich immer.

4 Gedanken zu „Weg damit! Vom Ausmisten und Loslassen“

  1. Liebe Astrid,
    dein Eintrag hat mich sofort, wenn auch leider nur gedanklich, auf unseren total vollgestellten Speicher gebracht, der seit Jahren immer voller wird. Jedes Jahr nehmen wir uns vor, ihn auszuräumen/ auszurümpeln, aber die Aufgabe scheint einfach zu groß. Und es ist zu mühsam, immer wieder ein bisschen anzugreifen. Aber ich verstehe das Gefühl der kathartischen Reinigung nur zu gut – vielleicht klappt es ja im nächsten Frühling… Mich hat einmal eine Ausstellung fasziniert, in der Menschen die Aufgabe gestellt wurde, in einen einfachen Koffer all das zu packen, was ihnen lebensnotwendig ist und sehr am Herzen liegt. Ich habe meinen mentalen Koffer vor mir, und da ist nichts von unserem Speicher drin.

  2. Hallo Astrid, das ist ja zu 100% „den Nagel auf den Kopf treffen“! Letztes Wochenende haben wir mit den Kinden das Haus aufgeräumt und tonnenweise alten Kram weggeworfen. Nach dem Prinzip von Marie Kondo „the life changing experience of tidying“. Wir geniessen jetzt ein luftiges Haus mit den Dingen die wir brauchen und die uns lieb sind und haben schon andere damit angesteckt. 🙂
    Wir sind also auf verschiedenen Wegen zum gleichen Ziel gekommen. Toller blog! Viele Grüsse aus Brühl, Thomas M. 🙂

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