Lebensgefühl 50+

Wir sind die Experten!

Da haben wir es schwarz auf weiß – oder in Farbe: Bei der Bild-Recherche zu diesem Beitrag habe ich lange nach passenden Stockfotos zum Thema gesucht. (Stockfotos sind Fotos, die man auf entsprechenden Plattformen zur Bebilderung von Texten kaufen oder lizenzfrei herunterladen kann.) Geforscht habe ich nach Schlagwörtern wie Business, High Five, Daumen hoch, Powerfrauen (die meisten meiner Follower sind weiblich), Lebenserfahrung, Coaching und so weiter.

Was mir angeboten wurde, waren Fotos und Grafiken, die fast ausnahmslos Menschen bis Mitte 30 zeigten, und wenn älteren Datums, dann Männer. Frauen um die 50 kommen auf diesen Plattformen äußerst selten vor, oft eher im Hintergrund. Ältere Jahrgänge sind dann wieder zum Thema „Lebenserfahrung“ vertreten. Aber wo sind die Bilder, die uns 50- bis 60-Jährige im Business oder in der Freizeit, allein oder als Team, solidarisch mit „High Five“-Händen zeigen? Oder mit anderen dynamischen Gesten, die Power und Lust am Tun symbolisieren? Ich habe sie nicht gefunden! Das passt ja auffällig zu dem Thema Die unsichtbare Frau, das mich und viele andere von euch in den letzten Wochen beschäftigte. Also, liebe Fotografinnen und Fotografen (ich weiß, dass einige meiner Follower/innen auf diesem Gebiet unterwegs sind): Das ist offenbar eine echte Marktlücke oder zumindest mal ein schönes Projekt für Fotografie-Experten!

Das geschärfte Profil 

Das bringt mich gleich zum Thema: Beim Interview für den WDR zu der Frage, ob Frauen ab 50 unsichtbar werden, fiel sehr oft das Wort „Expertin“. Ich habe damals betont, dass ich mich hier weniger als Expertin, sondern als „eine von uns“ verstehe, durchaus mit individueller Ausrichtung. So wurde ich ja dann auch in dem Frau tv-Beitrag vorgestellt. Dennoch fühle ich mich als Expertin in so manch anderer Hinsicht. Und das hat vermutlich damit zu tun, dass ich vor einigen Monaten wieder in die Jobsuche eingetaucht bin. Da hieß es: Profil schärfen! Und das war gar nicht so einfach!

Ich habe mir ein professionelles Coaching gegönnt und mich sehr ausführlich mit Fragen beschäftigt wie: Was kann ich besonders gut? Was beflügelt mich regelrecht? Was fällt mir eher schwer? Was will ich nicht mehr machen? Fragen, die man nicht so ohne Weiteres an einem Wochenende beantworten kann. Einige Wochen lang habe ich damals darüber nachgedacht und auch heute noch kommt mir die Frage nach meinen besonderen Fähigkeiten öfter mal in den Sinn. Aber jetzt bin ich dazu fähig, sie genau zu benennen. Nur als Beispiel: Ich habe wirklich lange gebraucht um zu erkennen, dass ich die Gabe habe, Themen in Worte zu fassen, die  anderen gefallen oder nützlich sind. Dass das ein besonderes Talent ist, das habe ich unterschätzt. Und darum genau ging es auch in dem Coaching: sich bewusst zu machen, welche Kenntnisse und Fähigkeiten man im Laufe seines Lebens gesammelt hat und welche besonderen Talente man mitbringt.

Ich rate euch, das auch einmal zu probieren: Schreibt doch mal auf, welche Aufgaben ihr in euren bisherigen Jobs, in der Familie, im Verein bislang so übernommen habt. Wofür wurdet ihr besonders gelobt? Was ging euch echt leicht von der Hand? Je detaillierter ihr werdet („In meinem letzten Job war ich verantwortlich für …“), desto mehr werdet ihr staunen! Egal, ob ihr bereits beim zehnten Arbeitgeber gelandet seid oder die familiäre Situation sich im Laufe der Jahre geändert hat: Jede und jeder von euch hat jahrelange Erfahrung im Meistern von diversen Situationen gesammelt: diverse Jobwechsel, Kindererziehung, Spagat zwischen Beruf und Familie, Weiterbildungen, Umzüge, Neuanfänge, Pflegesituationen und vieles mehr.

Erfahrungsschatz aus fünf Jahrzehnten

Wir alle sind Experten! Wir haben unsere Fachgebiete, in denen wir uns auskennen und wohlfühlen. Aber vielleicht ist vielen von uns gar nicht bewusst, mit was für einem Erfahrungsschatz wir ausgerüstet sind. Oder wusstet ihr vor 30 Jahren schon, wie man die eigenen Kinder durch jede Phase des Heranwachsens bestens begleitet? Wie die Kommunikation mit schwierigen Kunden gelingen oder ein technisches Problem professionell gelöst werden kann? Wie man gelassen zwischen wichtig und unwichtig entscheidet? Und dass Fehler und Umwege zum lebenslangen Lernen dazugehören und sogar sehr hilfreich sind? Das weiß man doch nur rückblickend, wenn man vieles erlebt hat und viele Wege gegangen ist.

Das Problem ist oft nur, dass jahrelange Berufs- und Lebenserfahrung heute in den Schatten von Jugendlichkeit und betonter Dynamik tritt, jedenfalls in unserer westlichen Welt. Wer sucht heutzutage schon Mitarbeiter, die ihre Aufgaben mit Ruhe und Besonnenheit erledigen? Schnelligkeit ist gefragt, Multitasking. Dass dabei oft der rote Faden und der Überblick verloren gehen, wird leicht übersehen. Mal ehrlich, geht euch das nicht auch so: Ihr werdet immer öfter Zeugen von Situationen, in denen ihr denkt: Aus meiner Erfahrung heraus hätte ich das anders gemacht! Aber ihr wart nicht in der Entscheidungsposition und wurdet auch nicht gefragt? Warum eigentlich nicht?

Selbstbewusst und sichtbar

Für mich geht der Weg zum Sichtbarwerden über das (Selbst-)Bewusstsein: Wir haben vieles erlebt, uns eine riesige Menge an Kenntnissen und Verhaltensweisen antrainiert und – im besten Fall – unsere Talente geschult. Voilà, hier sind wir: vielleicht mit etwas weniger Energie für durchzechte Nächte, aber mit viel Lust darauf, unsere Erfahrungen mit anderen zu teilen. Denn wir sind die Experten! In unserem Job, in der Führung eines Familienunternehmens, in vielen Lebensfragen schlechthin. Und wir haben viel zu sagen!

Ich bin – das kann ich jetzt ganz klar formulieren – Expertin für professionelle Texte, für’s empathische Kommunizieren und auch für eine umsichtige Planung und Organisation. Und ich habe mich auf den Weg gemacht, Expertin für Social Media zu werden. (Diese speziellen Skills haben mich übrigens in meinen neuen Job gebracht. Darüber mehr im nächsten Post.)

Und ihr? Worin seid ihr Expert(inn)en? Hinterlasst mir doch einen Kommentar! Vielleicht komme ich dann in einem meiner Beiträge auf euer Expertenwissen zurück.

 

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